29.03.2020 – Schülerin, 9. Klasse: „Ich bin der Ansicht, dass wir so eine Tragödie gebraucht haben“

 
Dass eine Situation wie diese nicht nur in Filmen passiert, ist uns allen spätestens nach der Ausgangsperre, die einige Länder aufgrund der Pandemie angeordnet haben, bewusst. In Filmen schien eine solche (übertriebene) Version eines Virus‘ uns immer gut zu unterhalten. Doch nun, da weitaus mehr in Gefahr schwebt als das Leben der Hauptfigur eines Filmes (welche solche Apokalypsen für gewöhnlich immer übersteht, meist sogar ohne jeglichen Schaden), scheint es nicht mehr so faszinierend zu sein, in der Haut der Person eines solchen Filmes zu stecken.
 
Ich bin der Ansicht, dass wir eine solche Tragödie gebraucht haben. Versteht mich nicht falsch, die Opfer, die dadurch gebracht werden, sind keinesfalls berechtigt, doch die Menschheit hat ihre Gesundheit, ihren Lebensraum und die Freiheit für selbstverständlich gehalten. Für uns alle war es selbstverständlich, mit unseren Freunden rauszugehen oder noch allgemeiner: Überhaupt einen Fuß ins Freie zu setzen.
Auch wenn viele Schüler jetzt im Dreieck springen werden, muss ich persönlich sagen, dass ich es irgendwie auch vermisst habe, in die Schule zu gehen.
Ich denke, wir alle hatten und haben noch immer Momente, in denen wir uns nicht gerade darüber freuen, montagmorgens um 7 (die meisten sogar früher) aufzustehen und noch schnell die für den heutigen Tag aufgegebenen Hausaufgaben zu erledigen, weil man am Abend davor gedacht hat, es wäre klüger, sie am Morgen zu machen, obwohl man sich die letzte Woche schon unendliche Male geschworen hatte, es nie wieder zu tun, weil es jedes Mal daneben geht – und es trotzdem Woche für Woche zu wiederholen. Genauso kann der Nachmittagsunterricht einem ordentlich einen Strich durch die Rechnung machen. Auch wenn man für den Tag geplant hatte, nachhause zu gehen und „nichts“ zu machen, endet es trotzdem immer damit, dass man für die am nächsten Tag anstehenden Klausuren, Tests oder sonstigen Prüfungen lernen muss.
Und ich gebe auch zu, dass der Unterricht an sich manchmal einfach schon dazu einlädt, am Morgen die Schule, inklusive all ihrer Lehrer und Sporthallen, die sie zu bieten hat, zu verfluchen. Falls ihr schonmal im Hochsommer (die Luft zum Atmen reicht dort gerade mal für eine Person bei den Temperaturen) oder im Winter in der Schinkelplatzhalle Sport gemacht habt, dann wisst ihr definitiv, worüber ich rede/schreibe.
 
Ich glaube, es ist vor allem die Ungewissheit, der wir aktuell ausgesetzt sind und die uns dementsprechend auch mehr zum Nachdenken anregt. In den Nachrichten wird von nichts anderem mehr gesprochen als der Situation, die wird aktuell erleben.
Und das ist auf gewisse Art und Weise auch verständlich und berechtigt, aber trägt dies nicht auch dazu bei, dass wir uns als Volk in diese Lage hineinsteigern?
Ich schreibe hier nicht über die Medien, die darüber berichten, nein, viel mehr dazu animieren, zuhause zu bleiben, sondern ich richte mich hier nur an die, die so ins Detail gehen, dass man danach einen gesamten Aufsatz über die Mutation dieses Virus‘ schreiben könnte (ich bin mir sicher, dass sich alle Biologielehrer an dieser Stelle verpflichtet fühlen, uns dazu einzuladen, ihnen doch gerne diese Aufsätze zu schicken und sich sicher sehr darüber freuen würden – doch um Ihnen die Hoffnung rechtzeitig zu nehmen: Rechnen Sie nicht mit zu vielen Aufsätzen).
 
Man kann sich darüber streiten und tagelang darüber diskutieren, was nun der Auslöser für diese Pandemie ist, doch wir sollten beachten, dass uns die jetzige Lage die Augen geöffnet hat. Uns allen. Die Menschen, die nicht an chronischen Krankheiten leiden oder viel Geld besitzen, sind (zumindest die meisten) der Meinung gewesen, ihnen könne nichts passieren, doch auch dieser Teil der Bevölkerung kann genauso mit dem Virus infiziert werden wie alle anderen auch. Es spielt auf dieser Welt tatsächlich einmal keine Rolle, wieviel Geld du besitzt oder wo und wie du lebst.
 
Und nun wird es spannend:
Wir sind also alle in Quarantäne und ich bin mir sicher, der Großteil weiß nichts mit seiner vielen Zeit anzufangen, außer von App zu App zu wechseln und zu hoffen, bei dieser Prozedur etwas halbwegs Neues und Interessantes zu finden.
Und anstatt, dass ich hier wie die meisten schreibe:
„Lest Bücher, entdeckt ein neues Hobby, sagt denjenigen, die euch was bedeuten, wie lieb ihr sie habt, kocht, backt oder macht an freiwilligen Programmen (ich sollte diesen Satz bestimmt nicht weiter ausführen, weil ich mit diesem Text selbst an einem solchen Programm teilnehme, doch ich tue es trotzdem) mit“, finde ich es in solchen Zeiten nicht nur wichtig, zu reflektieren, sondern die Zeit zu nutzen, um das zu machen, was im normalen Schulalltag zu kurz kommt. Ich mag es zwar nicht für sonderlich wichtig halten, bei „Fortnite“ in Modi wie „Rette die Welt“ darum zu kämpfen, mit meinem Team eine Festung zu errichten und diese vor nachts erscheinenden Zombies zu retten, aber jeder so wie er mag.
Auch wenn ich durchaus verstehe, wieso Angebote wie lesen oder zu sich selbst finden, während man in Quarantäne ist, häufig gemacht werden, so ist es doch wichtig, dass jeder die Zeit für die Dinge nutzt, die er/sie für richtig hält.
Ich kann ehrlich gesagt nicht einschätzen, wer sich das gerade durchließt (bestimmt nur die wenigen, die selbst mitgemacht haben und schauen wollen, auf welcher Seite ihr Eintrag sich befindet, und beim Scrollen hier gelandet sind, doch auch das ist durchaus verständlich).
 
Da ich gebeten wurde, noch darüber zu schreiben, wie ich mit der Situation umgehe, hier ein paar Infos (ich hätte auch ein Bild einfügen können, aber ich lehne dankend ab):
Ich möchte mich auf gar keinen Fall, wie einer der Leute anhören, die ihren Alltag so perfekt wie möglich darstellen und mit dem Lesen vieler Bücher und dem Schreiben von Aufsätzen um sich schmeißen, aber beide dieser Aspekte integriere ich durchaus in einige Tage der Woche.
Und wenn ich die Gelegenheit schon habe, würde ich gerne zwei Bücher empfehlen, welche sich gut für Tage eignen, an denen man die Welt vor Zombies gerettet und mit seinem Aufsatz über den Klimawandel die 1 auf dem Zeugnis in Politik ergattert hat:
Zum einen „Das Café am Rande der Welt“ von John Streleckly (welches diejenigen unter euch, die gerne Bücher lesen, in denen nicht entweder ein Drache plötzlich auftaucht oder sich wie durch ein Wunder zwei Seelenverwandte begegnen, sondern der Sinn des Lebens thematisiert wird, bestimmt kennen). Zum anderen ein Buch mit dem Titel: „Das Orangenmädchen“ von Jostein Gaarder.
Strelecky befasst sich in seinem Buch mehr mit dem Sinn des Lebens und hinterfragt das Glück, welches viele glauben gefunden zu haben, während Gaarder in seinem Roman (ich passe jetzt bestimmt in ganz viele Stereotypen, weil ich einen Roman vorschlage) die ziemlich ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier Menschen erzählt. Beides sind definitiv Empfehlungen von meiner Seite.
Nachdem ich nun für das Lesen geworben habe, wofür ich von den Lehrern bestimmt erschreckend viel Zuspruch bekomme, möchte ich euch noch mitgeben, eure Zeit gut aufzuteilen, denn Netflix hat eben soviel zu bieten wie Bücher. Ich glaube das Anfangen von Serien ist jetzt passend (tatsächlich habt ihr jetzt dadurch, dass wir keine Schule haben, keine Ausreden mehr, die gesamte Serie in einer Nacht durchzuschauen).
 
Und auch das (freiwillige, bei manchen Lehren wiederum doch nicht so freiwillige) Schreiben von Aufsätzen ist nicht ganz so langweilig, wie wir es immer gerne darstellen. Bevor ich aber weiter auf diesen Aspekt eingehe, möchte ich euch am liebsten erstmal fragen, wie ihr hier gelandet seid. Ich gehe stark davon aus, dass das gesamte Kollegium dafür geworben hat, damit man auch ihre Werke würdigt und sich die Arbeit der Mitschüler und Mitschülerinnen als Nebeneffekt ebenfalls ansieht. Und falls ihr nicht auf die bis dahin zahlreichen verschickten E-Mails eingegangen seid und den Weg auf diese Seite gefunden habt, ohne auch nur eine dieser E-Mails zu öffnen, sondern weil ihr auf der Homepage nicht den Button geklickt habt, über den angezeigt wird, ob am 20. April die Schule wieder anfängt oder ob ihr nicht doch noch einen erneuten Serienmarathon starten könnt, sondern stattdessen versehentlich mit euren Daumen auf diese Website gekommen seid, dann seid ihr mit Sicherheit nicht die einzigen.
Falls es aber tatsächlich Schüler oder Schülerinnen gibt, die sich ihre Zeit dafür nehmen, die „Tagebucheinträge“ (was wirklich total komisch klingt, liebe Lehrer, die an der Entwicklung dieses Namens gearbeitet haben) durchzulesen, dann bedanke ich mich bei euch, falls ihr es bis hierhin geschafft habt. Danke auch an die Lehrer (so ein Gesülze gehört am Ende immer dazu), die dieses Projekt ins Leben gerufen haben und die Schulleitung, die dieses Projekt bestimmt mit zahlreichen E-Mails bewerben wird.
Ein besonderes Dankeschön gilt aber Frau X, welche mich durch ihre Anzeige im Aufgabenfeld zuerst glauben ließ, ich hätte eine Deadline verpasst bzw. dazubekommen (Letzteres ist tatsächlich wahr).
Ich glaube, dass Sie mit Ihrer E-Mail überzeugend genug waren und bestimmt ein paar mehr Schüler (ich gehe davon aus, dass die 5.,6. und 7. Klassen direkt dabei waren, als Sie das Wort „kreativ“ erwähnt haben) dazu bringen konnten, einen solchen Eintrag zu verfassen.
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