30.04.2020 – Lehrerin: „Die Stimmung kippt – nicht nur bei mir…“

 

Vom 17.04.2020:

Die Stimmung kippt – nicht nur bei mir…

Ist es noch verhältnismäßig? Die Bilder und Nachrichten aus Indien lassen es mir kalt den Rücken herunterlaufen… wird später das Sprichwort „Pest oder Cholera“ von „Corona oder Hungersnot“ abgelöst?

Mir geht es nicht mehr gut, mir entgleitet die Situation. Ich fühle mich, als ob ich in einem düsteren Theaterstück mitspiele oder an einem unmoralischen Massenexperiment teilnehme. Ich empfinde es alles als nicht richtig transparent und verstehe es auch alles nicht wirklich. Und ich habe den Eindruck, es geht nicht nur mir so…

Ich verstehe den Gedanken, dass nun alle zurückstecken müssen, eventuell ihre Arbeit verlieren oder nicht zur Schule gehen können, um dadurch Menschenleben zu retten. Aber ich empfinde auch die Art der Berichterstattung als moralisch sehr bedenklich. Auf der einen Seite möchte ich natürlich nicht, dass jemand wegen mir stirbt oder unser System überlastet ist, aber auf der anderen Seite will ich auch nicht von Angst und Horrorszenarien geleitet werden… Fest steht auf jeden Fall für mich: Ich will nicht auf lange Sicht so leben. Und in meiner Freiheit so eingeschränkt sein.

Und ich mag das Gefühl der Fremdbestimmung und erzwungenen Hörigkeit nicht und spüre auf einmal auch eine große Dankbarkeit, dass ich in so einer freien und demokratischen Welt aufwachsen durfte. Das, was sonst so selbstverständlich war, präsentiert auf einmal seinen ganzen Wert. 

Ich will dem Staat und den Fachleuten vertrauen und ich bin auch dankbar dafür, in Deutschland leben zu dürfen und durch diese Menschen bisher so gut durch die Corona- Zeit geführt worden zu sein. Aber was ist, wenn das alles noch weiter eskaliert? Und anhält? Wenn ich meine Schüler, Freunde, Familie für Monate nicht mehr sehen darf?

Hochzeiten, religiöse Feste, Geburtstage und zahlreiche andere Feiern wurden abgesagt… aber auch andere wegweisende Ereignisse wurden verschoben: Vorstellungsgespräche, Abschlussprüfungen, …. Nichts ist mehr, wie es war… wird es jemals wieder annähernd so sein wie vor Corona?

 

Ich will frei sein und ich will auch nicht, dass Hass gesät wird. Ich will nicht, dass Bürger dazu aufgerufen werden, andere Bürger zu melden, wenn sie sich ordnungswidrig verhalten… wir müssten es doch besser wissen!

Wir brauchen mehr Aufklärung und mehr Einfühlungsvermögen unseren Mitmenschen gegenüber. Es ist normal, diese egoistischen Gedanken zu haben und sein altes Leben zurück zu wollen und ich denke, es ist auch wichtig, dass diese Gedanken ausgesprochen werden können…

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